Spätestens seit 40 Jahren im Zuge der Etablierung der neuen Studiengänge der Sozialen Arbeit an den damaligen Fachhochschulen (vgl. Spiegel 2008) wird ein Professions- und Professionalisierungsdiskurs in der Sozialen Arbeit geführt, der bis heute andauert. So wird einerseits
die Soziale Arbeit als „postmoderne Profession“ (Kleve 2016) deklariert, deren herausragende Eigenschaft ihre Eigenschaftslosigkeit sei. An anderer Stelle wird die „reflexive Professionalität“ (Dewe/Otto 2012) oder die „lebensweltorientierte Professionalität (Dewe/Stüwe 2016) diskutiert. In diesem Seminar erhalten die Studierenden Einblicke in den aktuellen professionssoziologischen Diskurs in der Sozialen Arbeit und lernen so sich selbst zu positionieren: was kennzeichnet eine Profession Soziale Arbeit in einer diversen Gesellschaft und wie steht dieses Professionsverständnis im Wechselverhältnis mit der Wissenschaft Soziale Arbeit?

Dieses Seminar vertieft die Grundlagen des systemtheoretischen Paradigmas in der Sozialen Arbeit, die systemisch-prozessualen Handlungstheorie von Silvia Staub-Bernasconi und das darauf aufbauende Verständnis der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession. Hierbei wird der Frage nachgegangen, was eigentlich unter Systemtheorie und Systemdenken zu verstehen ist und welchen Nutzen diese Denkweise für die Soziale Arbeit hat. Anschließend wird die sogenannte „Züricher Schule“, die durch die Wirklichkeitstheorie des argentinischen Philosophen Mario Bunges sowie die Bedürfnistheorie Werner Obrechts geprägt ist, vorgestellt. Die Einführung in Staub-Bernasconis Theorie sowie Kaspar Geisers systemische Denkfigur wird schließlich durch anwendungsorientierte Übungen und Fallarbeiten begleitet.

Warum benötigt Soziale Arbeit überhaupt Theorien und weshalb gibt es so viele verschiedene? Die Vorlesung geht auf diese und weitere grundlegende Fragen ein und vermittelt einen Überblick über die Entwicklungsgeschichte und den zentralen Theorienbestand in der Sozialen Arbeit. Dazu werden auf den aktuellen Gegenstandsdiskurs in der Wissenschaft Soziale Arbeit als Grundvoraussetzung für Theorieentwicklung eingegangen, eine Einführung in grundlegende Wissenschaftstheorien gegeben sowie in ausgewählte Theorieansätze aus unterschiedlichen Epochen eingeführt. Stets stehen dabei die Fragen im Raum: welche Bedeutung hat eine Theorie für die Gegenwart der Sozialen Arbeit und wie haben sich Theorien der Sozialen Arbeit weiterzuentwickeln?

Die Profession Soziale Arbeit als Teil einer marktwirtschaftlich-kapitalistischen Gesellschaft leidet unter einem Dilemma: wie ist sozialer Ungleichheit zu begegnen und soziale Gerechtigkeit zu realisieren, ohne das Gesellschaftssystem, das zugleich Soziale Arbeit mandatiert, grundlegend zu kritisieren und zu verändern? Es liegt auf der Hand, dass Kapitalismus als Form der Ausbeutung sowie der Kapital- und Machtanhäufung und die damit einhergehende Ohnmacht der sog. „Habenichtse“ (vgl. Saul Alinsky 1999) ein zentraler Ausgangspunkt sozialer Probleme darstellt (vgl. Schnurer 2020). Oder entpuppt sich die Soziale Arbeit dabei gar als Aufrechterhaltungs-, Kompensations-, Oppressions- und Disziplinierungsagentur genau dieses kapitalistischen Systems (vgl. Hollstein und Meinhold 1973)? Um diese Fragen zu beantworten, wird zunächst die Soziale Arbeit in der kapitalistischen Gesellschaft verortet. Schließlich werden professionspolitische Positionen thematisiert, Machtverhältnisse analysiert und Herausforderungen einer kritischen Profession Soziale Arbeit skizziert.